Abendlied
Stiller Abend. Dunkelgold.
Ich sitz beim Gläschen Wein.
Was ist geworden aus meinen Tagen?
Ein Schatten und ein Schein –
ein Augenblick von Dunkelgold
soll in mein Lied hinein.
Stiller Abend. Dunkelgold.
Ein Jude, alt und grau,
betet fromm den Staub
von dem Jahrmarkt fort –
soll doch ein Murmeln vom gebet
hinein zu mir ins Lied.
Stiller Abend. Dunkelgold.
Wind, weltaus, weltein.
Die Trauer, die gewesen wach,
schläft wie ein Küken ein –
soll doch ein Atem seines Schlafs
zu mir ins Lied hinein.
Stiller Abend. Dunkelgold.
Davon ein Sommervogel fliegt,
mit Flügeln grau und gold,
und fort nach >>Gott behüt<< –
soll doch ein Zittern seines Flugs
hinein zu mir ins Lied.
Stiller Abend. Dunkelgold.
Ich sitz beim Gläschen Wein.
Was ist geworden aus meinen Tagen?
Ein Schatten und ein Schein –
ein Augenblick von Dunkelgold
soll in mein Lied hinein.
aus: Itzig Manger, „Dunkelgold“ Gedichte, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 2004, Seite279