
jbs 2tausend19 Skelling Island stellvertretend für Manaraga
Es ist schlecht bestellt mit unserer Gesellschaft und Erde im Jahr 2037.
In dem dystopischen Roman „Manaraga – Tagebuch eines Meisterkochs“, KiWi-Verlag, 2018, erzählt Vladimir Sorokin, bedeutendster zeitgenössischer Schriftsteller Russlands, vom Book’n Griller Geza, dessen geniale Kochküste ihn in die Haute Volee der Welt führt.
Später wird Sorokin ihn auf ein Himmelfahrtskommando schicken, mit dem Auftrag, eine Molekularmaschine zu zerstören. Diese Maschine steht in einer Höhle im Manaraga-Gebirge („Kreuz Russlands“, Uralgebirge) und stellt im Sekundentakt Millionen „Ada“ – Buchklone her ( Vladimir Nabokov „Ada“, 1969). Diese Klone sollen den Weltmarkt fluten. Der Erfinder der Maschine will nämlich im Book’n Griller – Geschäft kräftig mitmischen.
Das Besondere dieser Grillveranstaltungen liegt im Verbrennen alter Bücher (-seiten), auf kriminellem Weg aus Bibliotheken, Sammlungen oder Museen gestohlen, denn … es gibt im Jahr 2037 keinen Buchdruck mehr.
Gutenbergs Druckmaschinen stehen schon lange still. Digitale Kommunikation ist die Wahl zur Verständigung. Hologramme erscheinen aus dem Nichts in der Luft, um zu beschreiben und um Inhalte verständlich zu machen.
Jimmy Durante, ein US-amerikanischer Komiker (1893 – 1980), beschrieb den Jetset als Leute, die immer vor dem Problem stehen: Party oder Ferien. In eben dieser Gesellschaft findet sich Meisterkoch Geza wieder – astronomische Vergütungen honorieren in der Regel seine Kochkunst.
Sorokin ist mutig. Gegenüberstellungen von völlig entgleisten (materiellen) Reichen und armen bis ärmsten Menschen aus der unteren Gesellschaftsschicht, u.a. verdeutlicht durch eingeflochtene Tolstoierzählungen, üben Kritik an gegenwärtlichen Politikstilen.
Letztendlich ist es doch so, wie Lew Tolstoi es in seiner Parabel „Wieviel Erde braucht der Mensch“ (übrigens eine von mir immer wieder gern gelesene Erzählung) schreibt […] Der Knecht nahm die Hacke, grub Pachom ein Grab, genau so lang wie das Stück Erde, das er mit seinem Körper, von den Füßen bis zum Kopf, bedeckte – sechs Ellen -, und scharrte ihn ein […].
Sorokins Roman ist aus phantasievollen Collagen zusammen gesetzt. Dieser Stil bricht die herkömmliche Art des Erzählens auf. Das gefiel mir sehr gut.
Vermisst habe ich jedoch weibliche Personen in dem Roman. Die kommen so gut wie gar nicht vor. Das hat mich schon verwundert – will Sorokin damit andeuten, dass obig beschriebene Welt einzig und allein nur in einem Patriarchat möglich ist?
Viele Kritiker haben in den letzten Monaten über „Manaraga“ geschrieben. Daher führe ich meinen Leseeindruck nicht weiter aus.
Wer allerdings Interesse auf mehr hat und das Buch noch nicht gleich kaufen möchte, der findet hier eine gute Buchbesprechung
Ein Erzählergenie ist unterwegs und zum Glück hat er (hoffentlich) noch keine Lust zum Pausieren!
jbs 2019